Bundestagswahl 2017
Wie Martin Schulz neue Wählergruppen für sich gewinnen kann
Martin Schulz hat das Thema Gerechtigkeit besetzt und damit die Umfrageergebnisse der SPD in die Höhe schnellen lassen. Mit einem Bekenntnis zur Vielfalt der deutschen Gesellschaft könnte er seine Partei als echte Alternative zur rechtspopulistischen Strömungen etablieren und neue Wählergruppen für sich gewinnen.
Von Daniel Gyamerah Freitag, 17.03.2017, 4:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 19.03.2017, 18:27 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
21 Prozent der Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund. Aber nur 5,9 Prozent der Bundestagsabgeordneten stammen aus Einwandererfamilien. Damit ist der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Bevölkerung mehr als dreimal so hoch wie im Bundestag. Auch in der SPD Fraktion liegt der Anteil der Abgeordneten mit Migrationshintergrund mit 6,7 Prozent nur geringfügig höher als der Durchschnitt aller Fraktionen. Dabei würde es sich gerade für die SPD lohnen, sich gezielt zur Vielfalt der Gesellschaft zu bekennen und Menschen Mitmigrationshintergrund als Zielgruppe anzusprechen.
Bis jetzt gelingt es keiner Partei, ihr diese Wählergruppe zu mobilisieren. Am relevantesten scheint dies aber für die SPD zu sein – so zeigt eine repräsentative Umfrage des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration, dass 40,1 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund die SPD als Partei ihrer Wahl angeben (Union 27,6 Prozent | BÜNDNIS 90 / die Grünen 13,2 Prozent | Die Linke 11,3 Prozent). Eine aktuelle Studie im Auftrag der Hans Seidel Stiftung analysiert die Lage in Bayern. Ein Ergebnis: Menschen mit Migrationshintergrund vergeben ihre Stimme mit Bedacht.
Es wäre also an der Zeit, diesen Menschen ein Signal zu senden und sie direkt anzusprechen. Martin Schulz könnte der Mann sein, der die Vielfalt der Gesellschaft positiv hervorhebt. Denn gerade jetzt scheinen sich die Menschen nach einer Alternative zu sehnen, die sich bewusst gegen rechtspopulistische Strömungen positioniert. Das gilt sicher nicht nur für Menschen mit Migrationshintergrund.
Aber gerade diese sind im Bundestag und in den Parteien nicht angemessen repräsentiert. Und das wissen sie. Außerdem wird das Repräsentationsproblem zunehmen: In Städten wie Frankfurt a.M., Nürnberg, Stuttgart, München, Düsseldorf, Köln und Hannover leben mittlerweile mehr Kinder (unter 6 Jahren) mit als ohne Migrationshintergrund.
Die Parteien werden sich öffnen müssen. Die Frage ist nur, wann sie es tun. Gegenwärtig scheint Vielfalt für die Parteien kein Thema von besonderer Priorität zu sein. Kaum ein Mensch mit Migrationshintergrund schafft es in die Spitzenpositionen. Und wenn es mal ein Parteimitglied mit Migrationshintergrund zum Abgeordneten schafft, dann sind es oft die, die nicht alltäglich von rassistischer Diskriminierung betroffen sind, weil sie als weiße Deutsche wahrgenommen werden. So stammt bspw. rund ein Drittel der Abgeordneten mit Migrationshintergrund aus Ländern der Europäischen Union. Abgeordnete wie Dr. Karamba Diaby (SPD), Azize Tank (DIE LINKE) und Özcan Mutlu (Bündnis 90 / DIE GRÜNEN) sind Ausnahmen. Sie spiegeln die kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft wider und machen deutlich: Damit der Deutsche Bundestag die Bevölkerung repräsentiert, müssen mehr Menschen mit Einwanderungsgeschichte, People of Color und Schwarze Menschen im Bundestag vertreten sein. Die Parteien tragen durch die Aufstellung der Wahllisten eine Verantwortung, der sie bis jetzt nicht gerecht werden.
Die SPD könnte das ändern. Ein bloßes Bekenntnis von Martin Schulz wäre dabei nur ein wirkungsvoller erster Schritt. Dabei dürfte es dann aber nicht bleiben. Vielfalt müsste, dann das auch innerhalb der Partei gelebt werden.
Damit ein gesellschaftlicher Wandel eintritt müsste die SPD mit gutem Beispiel vorangehen. Die Wegbeschreibung hin zu einer inklusiven Gesellschaft liefert die Gleichstellungspolitik zur Förderung von Frauen. Es gilt: Daten erheben, Zielmarken setzen, Korridore öffnen, Netzwerke fördern, Mentoring institutionalisieren – wir brauchen das ganze Programm.
Sonst ist nicht zu erwarten, dass Ministerien, Unternehmen oder Verbände ihre Top-Positionen vielfältiger und damit repräsentativer besetzen. Aktuell Meinung
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