Interview
Autorin Ingrid Brodnig: AfD betreibt professionellsten Facebook-Wahlkampf
In Sachen Wahlkampf auf sozialen Netzwerken ist die AfD nach Einschätzung von Ingrid Brodnig allen anderen Parteien weit voraus. Sie ist Autorin des neuen Buches "Lügen im Netz. Wie Fake News, Populisten und unkontrollierte Technik uns manipulieren". Im Gespräch erklärt sie, welche Rolle Fake-News beim Wahlkampf spielen.
Von Elisa Makowski Freitag, 04.08.2017, 4:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 06.08.2017, 12:34 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Nach Ansicht der Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig betreibt die AfD am professionellsten Bundestagswahlkampf auf sozialen Netzwerken. Dabei habe es die Partei viel einfacher als andere Parteien. „Eine Partei in der Koalition kann gar nicht so hart kommunizieren“, sagte die Autorin von „Lügen im Netz“ dem Evangelischen Pressedienst. In dem Buch, das kürzlich auf den Markt gekommen ist, analysiert Brodnig, wie Internet-Falschmeldungen zustande kommen und welche Gegenstrategien es gibt. Im April wurde die 32-Jährige von der österreichischen Bundesregierung zur digitalen Botschafterin (Digital Champion) Österreichs in der EU ernannt.
Ihr neues Buch heißt „Lügen im Netz“. Warum haben bewusst eingesetzte Falschmeldungen gerade im Internet so großen Erfolg?
Ingrid Brodnig: Viele merken nicht einmal, dass sie einer Lüge aufsitzen – und teilen sie munter. Das liegt am Charakter sozialer Netzwerke: Falschmeldungen aktivieren Wut. Und Wut ist ein Klicktreiber – das heißt, dass die Meldungen, die starke negative Emotionen auslösen, häufiger angesehen und verbreitet werden. Und auf Reichweite und Likes kommt es schließlich an in den sozialen Netzwerken. Zudem ist es ein Problem, dass im Jahr 2017 nicht alle Schulkinder lernen, wie man eine Google-Suche betreibt, um Falschmeldungen auf die Schliche zu kommen.
Deutschland befindet sich mitten im Bundestagswahlkampf. Welche Rolle werden Falschmeldungen dabei spielen?
Ingrid Brodnig: Für den Wahlkampf spielen soziale Netzwerke eine immer größere Rolle. Von den Parteien ist die AfD am professionellsten, wenn es darum geht, ihre Kommunikationsstrategie perfekt an Facebook anzupassen. Dort beliefert sie ihre Anhänger konstant und strukturiert mit Inhalten auf Parteilinie. Dabei hat sie es viel einfacher als die anderen Parteien: Sie propagiert „den kleinen Mann gegen die Elite“. Die Wut, das Poltern, ist ein konstitutiver Teil des Populismus. Eine Partei in der Koalition kann gar nicht so hart kommunizieren. AfD-Accounts posten teilweise auch Halbwahrheiten. Wenn sie auffliegen, kommen halbherzige Entschuldigungen.
Erst kürzlich hat der Bundestag das Netzwerkdurchsetzungsgesetz beschlossen. Wie bewerten Sie das Gesetz?
Ingrid Brodnig: Ich bin hin und her gerissen. Zum Einen zeigt das Gesetz, dass die Betreiber sozialer Netzwerke greifbar sind, dass der Nationalstaat Netzinhalte regulieren kann. Ich denke da vor allem an die Berichtspflicht: Jetzt müssen die Betreiber öffentlich machen, wie viele Kommentare gemeldet werden und wie viele von ihnen sie gelöscht haben.
Doch ich sehe auch die Gefahr des „overblocking“: Wenn strafbare Inhalte nicht gelöscht werden, droht den Betreibern hohe Bußgeldzahlungen. Das könnte dazu führen, dass auch harmlose Inhalte entfernt werden, weil es billiger ist als sie genau zu prüfen. Deshalb ist es wichtig zu evaluieren, ob es sich Plattformen zu leichtmachen mit dem Löschen. Es bräuchte hier mehr Rechte für Betroffene: Unternehmen wie Facebook oder Twitter sollten offenlegen, warum Posts und Nutzer gesperrt werden. Bisher bekommen wir darauf keine Antwort. Doch auch ein Neo-Nazi hat ein Recht darauf, zu erfahren, warum sein Account gelöscht wurde. (epd/mig) Aktuell Politik
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