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Demonstration, NSU, Staat, Nationalsozialistischer Untergrund, Demo, Rechtsextremismus
Während einer Demonstration in Solingen am 25. Mai 2013 © strassenstriche.net @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Staatlicher Selbstschutz

Die Verhinderung von Aufklärung im NSU-Prozess durch die Bundesanwaltschaft

Die Bundesanwaltschaft hält stoisch an ihrer Anklageschrift fest, der NSU sei ein isoliertes Trio. Dabei wurde sie vielfach widerlegt. Die Beschlüsse der Bundesanwaltschaft sind politische Entscheidungen und der staatliche Selbstschutz hat Vorrang. Von Isabella Greif, Fiona Schmidt.

Von Isabella Greif, Fiona Schmidt Montag, 07.08.2017, 4:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 10.08.2017, 14:52 Uhr Lesedauer: 9 Minuten  |  

Überraschenderweise beendete der Vorsitzende Richter Manfred Götzl am 18. Juli – und damit sieben Verhandlungstage vor der Sommerpause – die Beweisaufnahme im NSU-Prozess. Die Bundesanwaltschaft (BAW) kündigte an, dass sie bereits am folgenden Tag mit ihrem 22-stündigen Plädoyer beginnen könne. Die BAW setzt damit ihre bisherige Prozesspolitik fort und hält stoisch an den vielfach widerlegten Erkenntnissen ihrer Anklageschrift fest, wonach der NSU als isoliertes Trio und ohne Mitwissen des Staates agierte.

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Die blockierte Aufklärung

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Knapp ein Jahr nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 erhob der Generalbundesanwalt Anklage gegen Beate Zschäpe und vier weitere Personen. Laut Anklage sei der NSU 1998 untergetaucht und habe die nächsten dreizehn Jahre als isolierte Zelle mit einem „eng begrenzten Kreis von wenigen Unterstützern“ im Untergrund in Zwickau und Chemnitz verbracht. Demnach sei der NSU „zu keiner Zeit ein Netzwerk“, 1 sondern eine aus drei Personen bestehende Zelle gewesen, die mit dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Jahr 2011 aufgehört habe zu existieren. „Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Beteiligung ortskundiger Dritter an den Anschlägen des ‚NSU‘ oder eine organisatorische Verflechtung mit anderen Gruppierungen“ hätten die Ermittlungen nicht ergeben, stellt die BAW fest.

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Angesichts heute zugänglicher Erkenntnisse ist diese Version widerlegt. Durch die Recherchen von Anwält_innen der Nebenklage, unabhängiger Journalist_innen, der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse sowie antifaschistischer Initiativen ist vielfach das Ausmaß des Unterstützungsnetzwerks des NSU deutlich geworden, das Wohnungs- und Autoanmietungen, Spendensammlungen und ideologische Unterstützung leistete. An einigen Taten des NSU könnten auch Mittäter_innen beteiligt gewesen sein (z.B. Heilbronn, Köln Probsteigasse). Zudem kamen und kommen immer wieder Erkenntnisse über den Einsatz von über 40 V-Personen des Verfassungsschutzes, der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes im mehr oder minder unmittelbaren Umfeld des NSU ans Licht. Dennoch ist das Narrativ des Trios in der Anklage festgeschrieben und definiert den Verhandlungsgegenstand im Prozess. Indem der NSU laut Anklageschrift isoliert von der rechten Szene agierte, verneint die oberste Ermittlungsbehörde, dass V-Personen und die Nachrichtendienste Informationen über den NSU erlangen konnten. Dadurch hält die BAW eine Auseinandersetzung über das Ausmaß des Netzwerks und ein staatliches Mitwissen über rechte Terrorstrukturen aus dem Verfahren heraus.

Diese beabsichtigte thematische Eingrenzung im NSU-Prozess wird durch parallele Ermittlungsverfahren der BAW selbst konterkariert. Sie führt neun weitere Ermittlungsverfahren gegen Einzelpersonen und ein sog. Strukturermittlungsverfahren gegen Unbekannt. Dieses Strukturermittlungsverfahren hat nach öffentlichen Verlautbarungen das Ziel, zu ermitteln, ob es weitere Mittäter_innen oder Unterstützer_innen des NSU gegeben hat. Im Laufe des NSU-Prozesses wurde deutlich, dass in den parallelen Verfahren zu Personen und Strukturen ermittelt wird, die von der Nebenklage als Netzwerk des NSU-Kerntrios gesehen werden. Ein zentrales Problem ist, dass diese parallelen Ermittlungsverfahren nicht öffentlich sind und somit nicht nachvollzogen werden kann, nach welchen Kriterien die BAW Themenkomplexe den parallelen Verfahren oder dem NSU-Prozess zuordnet. Die BAW ist keine neutrale Instanz im NSU-Prozess: Ihre Beschlüsse über Relevanz, Wichtigkeit und Notwendigkeit zu bestimmten Fragen, Komplexen und Personen zu ermitteln oder nicht, stellen politische Entscheidungen dar. Sie entscheidet also darüber, was aufgeklärt wird und was nicht.

Strukturelle Voraussetzungen des Agierens der BAW

Als oberste Strafverfolgungsbehörde der Bundesrepublik hat die BAW im NSU-Prozess eine zweifache Funktion inne: sie ist die anklagende Instanz und sie vertritt die BRD als Geschädigte in einem Verfahren, das wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a StGB geführt wird. Als Verfasserin und Vertreterin der Anklageschrift im Prozess, legt die BAW im NSU-Prozess auf Grundlage ihrer Ermittlungen den Gegenstand des Strafverfahrens fest. Dadurch hat sie eine einflussreiche Position inne, die es ihr als „Richter vor dem Richter“ 2 ermöglicht, die inhaltliche und strategische Ausrichtung eines Prozesses vorzugeben.

Während Staatsanwaltschaften in der Regel als objektiv, neutral und dem Recht verpflichtet gelten, ist der oder die Generalbundesanwält_in als politische_r Beamt_in dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz gegenüber weisungsgebunden. Dies bedeutet, dass er oder sie sich „in Erfüllung seiner Aufgaben in fortdauernder Übereinstimmung mit den […] Ansichten und Zielsetzungen der Regierung befindet4 und jederzeit „abberufen“ werden kann (§ 54 Abs. 1 Nr. 5 BBG). Es besteht eine direkte politische Abhängigkeit des oder der Generalbundesanwält_in, die der Verpflichtung der Justiz zu Objektivität und Neutralität widerspricht. Die Weisungsgebundenheit ist ein Einfallstor für parteipolitische Einflussnahme der Regierung auf die Strafverfolgung. Entgegen der weit verbreiteten Annahme, dass Staatsanwaltschaften eine Behörde der Judikative und damit politisch unabhängig seien, ist die BAW unter Leitung des oder der Generalbundesanwält_in eindeutig eine Behörde der Exekutive.

Weitere Konfliktlinien zwischen der Unabhängigkeit der Rechtspflege und dem Staatswohl ergeben sich in der Strafverfolgung von Organisationsdelikten, bei denen V-Personen, also Informant_innen aus der beobachteten Szene, involviert sind. Die BAW nutzt u.a. über V-Personen gewonnene Informationen der Sicherheitsbehörden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz, das der „Fachaufsicht“ des Bundesinnenministeriums untersteht, ist der BAW gegenüber jedoch keinerlei Transparenz bezüglich ihres Umgangs mit V-Personen schuldig. Zudem beinhaltet die Strafprozessordnung verschiedene Instrumente zum Schutz von V- Personen, wie z.B. die Sperrerklärung, mit der Akten und andere Gegenstände von der Verwendung vor Gericht ausgenommen werden. Dadurch kann die Aufklärung von Straftaten nach Ermessen der Verfassungsschutzbehörden eingeschränkt werden.

Im NSU-Prozess wurde immer wieder deutlich, dass es keineswegs im Interesse der BAW ist, die Aufklärung staatlicher Verstrickungen voranzutreiben. Im Gegenteil: die Rolle der Verfassungsschutzbehörden im NSU-Komplex sowie ein staatliches Wissen über den NSU, das aus der Zusammenarbeit mit V-Personen resultiert, wurden strukturell aus der strafrechtlichen Aufklärung herausgehalten. So erstaunt es nicht, dass die Frage, wieso über Jahre hinweg Informationen über das Kerntrio gesammelt und entscheidende Hinweise bewusst nicht weiterleitet wurden, um die Szene zu schützen, kein Thema der Anklage und des Prozesses sind.

Der Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme etwa war bei dem Mord an Halit Yozgat in dessen Internetcafé in Kassel anwesend. Nach einer Untersuchung des Londoner Institute for Forensic Architecture im Auftrag des Aktionsbündnisses „NSU-Komplex auflösen!“ steht die Frage im Raum, ob Temme den oder die Mörder Halit Yozgats wahrgenommen hat oder sogar selbst geschossen hat. Doch der Beweisantrag von Nebenklagevertreter_innen auf Einbeziehung des Gutachtens zu Temme im Prozess wurde sowohl von der BAW als auch vom Senat abgelehnt. Mit Verweis auf die durch die Anklage vorgegebenen Themen des Prozesses oder auf das Beschleunigungsgebot, wurden immer wieder Beweisanträge der Nebenklage mit zum Teil hochbrisanten Inhalten abgelehnt.

So auch im Fall von Ralf Marschner, V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Marschner war als Inhaber diverser Szene-Läden eine zentrale Person der rechten Szene in Zwickau. Mundlos und Böhnhardt lernte er bereits 1998 auf einem Fußball-Turnier kennen 3 und Beate Zschäpe verkehrte in seinen Läden. Über eine von Marschner betriebene Baufirma wurden an dem Tag des Mordes an Habil Kılıç in München mehrere Autos angemietet. Zudem wurde im April 2016 bekannt, dass Marschner Uwe Mundlos in seiner Baufirma beschäftigt haben soll. Dazu sagte Oberstaatsanwalt Weingarten im Juni 2016 als Vertreter der BAW im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags aus: „… die Bundesanwaltschaft [halte es] […] nicht für plausibel, dass Mundlos nach seinem Untertauchen im Januar 1998 auf einer Baustelle gearbeitet haben soll“. Als Begründung führte er an, Baustellen seien ,,kontrollintensive Bereiche“, weshalb dort „das Entdeckungsrisiko für eine im Untergrund lebende Person enorm“ sei. Da Mundlos einen mit seinem Foto versehenen Personalausweis des Unterstützers Max-Florian Burkhardt nutzte und mit diesem Ausweis auch eine Wohnung anmietete, musste er jedoch keinesfalls Kontrollen fürchten. Die BAW hatte Marschner trotz seiner Verbindungen zum NSU, der Autoanmietungen sowie der Beschäftigung von Mundlos nicht als Zeugen im NSU-Prozess geladen. Daher forderten einige Nebenklagevertreter_innen in einem Beweisantrag die Ladung Marschners, nachdem journalistische Recherche ihn in Liechtenstein und der Schweiz ausfindig machen konnte. Die BAW lehnte auch diesen Antrag ab, da eine weitere strafrechtliche Aufklärung in den parallelen Ermittlungsverfahren des GBA erfolge und der Tatkomplex Marschner und seine möglichen Unterstützungsleistungen nicht schuld- oder strafrelevant seien. Während bei den Mitangeklagten André Eminger und Holger Gerlach Autoanmietungen für Reisen zu den Tatorten als Unterstützungsleistungen angeführt werden, gelten für Marschner als V-Mann offensichtlich andere Regeln. Es gilt „Quellenschutz vor Strafverfolgung“ und damit Staatswohl vor Aufklärung.

Hinweis: Dieser Text wurde im NSU-Watch erstveröffentlicht und dem MiGAZIN dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.

Das Ausblenden diverser Fragen- und Themenkomplexe aus dem NSU- Prozess ist politisch motiviert. Die BAW hält nicht nur das staatliche Wissen über den NSU-Komplex und die Rolle des Verfassungsschutzes aus dem Prozess heraus, sondern auch die Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus in den Ermittlungen. Die Betroffenen wurden jahrelang rassistisch kriminalisiert, während sie selbst auf mögliche rassistischen Motive der Taten hingewiesen hatten. Wenn im NSU-Prozess über institutionellen Rassismus in den Ermittlungen gesprochen wurde, dann in der Regel nur, wenn Nebenkläger_innen selbst als Zeug_innen aussagten oder das Thema von ihrer juristischen Vertretung thematisiert wurde. Ausgehend von der sinngemäßen Formulierung in der Anklageschrift, das Feindbild des NSU habe auch die „antirassistisch verfasste“ BRD eingeschlossen, haben die BAW ebenso wie der erkennende Senat kein Interesse daran, institutionellen Rassismus mehr zu thematisieren als unbedingt nötig.

Die Folge: Staatlicher Selbstschutz statt Aufklärung

Das 2012 von Kanzlerin Angela Merkel gegebene Versprechen der Aufklärung wurde durch den NSU-Prozess nicht eingelöst. Vielmehr steht der Prozess durch die eng geführte Anklage der BAW von Anfang an unter der Maßgabe, was alles nicht aufgeklärt werden solle. Der vehemente Widerstand der BAW gegen die Thematisierung staatlicher Verstrickungen oder des Ausmaßes des „Netzwerks von Kameraden“ folgt dem Kalkül des staatlichen Selbstschutzes. Unter der Leitung eines politischen Beamten sollen die Ermittlungen der BAW nicht das Agieren staatlicher Akteur_innen in den Fokus der Aufklärung rücken. Und das würde ja passieren, wenn lückenlos ermittelt werden würde: Von Strafvereitelung im Amt durch gezielte Aktenvernichtung bis hin zu der Frage, was Andreas Temme zum Zeitpunkt des Mordes an Halit Yozgat in dessen Internetcafé machte.

Immer wieder macht die BAW klar, dass staatliche Schutzinteressen über der justiziellen Aufklärungspflicht stehen. Wer sich vom NSU-Prozess erhofft hatte, dass konsequent gegen das bestehende neonazistische NSU- Netzwerk ermittelt würde, wurde enttäuscht. Eine vollständige Aufklärung des NSU-Komplexes wird bis heute durch die Vernichtung von Beweisen und ihre Vertuschung in den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden verhindert. Beispielsweise ordnete der ehemalige Referatsleiter des BfV „Lothar Lingen“ im November 2011 vorsätzlich die Vernichtung von Akten von V-Personen an. 4 Bei seiner Vernehmung bei der BAW im Sommer 2014 legte er seine Beweggründe dar: „Vernichtete Akten können […] nicht mehr geprüft werden.“ Im Prozess hatte die BAW zuvor argumentiert, Lingen sei nicht prozessrelevant. Ende September 2016 wurde das Protokoll der Vernehmung Lingens durch die BAW öffentlich und beweist das Gegenteil.

Als politisch agierende Behörde verhindert die BAW eine strafrechtliche Aufarbeitung im Sinne der Betroffenen und gibt dem staatlichen Selbstschutz Vorrang. Dafür ist die Behörde – wie im Falle Lingens – auch bereit zu lügen.

  1. Herbert Diemer zitiert in: Rainer Fromm, Der Nationalsozialistische Untergrund. Was wusste der Staat vom braunen Terror? ZDF, Erstausstrahlung am 21.01.2015.
  2. Vgl. dazu: Peter-Alexis Albrecht, Der Weg in die Sicherheitsgesellschaft. Auf der Suche nach staatskritischen Absolutheitsregeln, 2010.
  3. Grunert, Johannes (2014): Ralf Marschner. Der Rechte Rand, Nr. 150, S. 43–44.
  4. Vgl. Maximilian Pichl 2017 in Forum Recht 1/2017.
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  1. Angelika Oetken sagt:

    Ein Thema, das von den Anwälten der Angehörigen der Opfer mehrfach eingebracht wurde, ist ebenfalls vom Gericht ignoriert worden. Es geht um Pädokriminalität, genauer gesagt um Missbrauchsabbildungen („Kinderpornografie“), Kinderhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung („Kinderprostitution“), Kindesmissbrauch und Kindermord. Auf einem der Rechner, die Beate Zschäpe nutzte, wurde Kinderpornografie entdeckt, Tino Brandt, ein enger Weggefährte von Frau Zschäpe und ihren beiden Kumpanen, sitzt aktuell wegen sexuellen Missbrauchs und dem Verschachern von Minderjährigen ein. Uwe Böhnhardt schließlich steht im Verdacht, an der Ermordung des damals neunjährigen Bernd Beckmann beteiligt gewesen zu sein. Alles ist gut dokumentiert und die Medien berichteten ausgiebig dazu.

    Angesichts der doch recht hohen Zahl an Rechtsradikalen, die in unserem Land leben, könnte man annehmen, das sei Zufall. Zwei Dinge sollte man sich aber vor Augen führen: die Neigung zu radikalen Gesinnungen und Terror entwickelt sich in sozial dysfunktionalen Milieus leichter als in stabilen und die Verquickung informeller MitarbeiterInnen von Geheimdiensten mit Missbrauchskriminalität liegt nahe. Wer sich mit Verbrechen und Verbrechern in der Grauzone beschäftigt, landet zwangsläufig bei Kindesmissbrauch. Angela Marquardt hat das für das MfS der DDR in ihrem Buch „Vater, Mutter, Stasi“ beschrieben.

    Kindesmissbrauch ist so alltäglich, dass es Ähnliches zeitgleich auch in der BRD gab. Die Lebensläufe aller Beschuldigten und Verdächtigen sollten sich die Verantwortlichen in den Behörden und bei Gericht in eigenem Interesse unter diesem Gesichtspunkt genau ansehen. Beate Zschäpe z.B. ist der Prototyp des vernachlässigten, in marginalen Verhältnissen aufwachsenden Mädchens. Leichte Beute für Missbrauchskriminelle. Tino Brandt wurde aller Wahrscheinlichkeit nach vom Opfer zum Täter. In jungen Jahren kam er von Thürigen nach Bayern. Brandt muss Fürsprecher gehabt haben, ansonsten hätte er nicht Unterkunft im Lehrlingsheim des Regensburger Kolpingswerks gefunden. Die lokale Antifa machte damals darauf aufmerksam, dass Brandt für die rechte Terrorszene akquiriert. Die politisch agierenden Honoratioren und die Behörden wiegelten das lange ab. Weshalb, wo es nur all zu offensichtlich war? Die Stadt ist jüngst wieder in die Schlagzeilen geraten, weil ein Abschlussbericht über Gewalt- und Missbrauchskriminalität an den Einrichtungen der Domspatzen veröffentlicht wurde. Wie üblich konnten die Verfasser darin nur die Spitze des berühmten Eisberges darstellen. Aber in Berichten dazu wurde Bezug auf die Verquickung des braunen Milieus mit Funktionären der Katholischen Kirche genommen, die bis in die Nazizeit gründet und mutmaßlich bis heute fort besteht.

    Immer wenn die staatlichen Stellen sich nicht genug kümmern, übernimmt das die Presse. Und in solchen Fällen kann man dann als Verantwortlicher nur reagieren, aber kaum noch was gestalten. Wer will denn wohl sein Gesicht in die Kameras halten, sobald die ersten Hintergrundberichte darüber erscheinen, welche Rolle Missbrauchsverbrechen beim NSU-Prozess spielen?

    […]

  2. Juergen Stuebner sagt:

    Danke für diesen aufschlussreichen Artikel!!
    jetzt wird mir so einiges klar und der „politische Beamte“ sehr suspekt. Da gibt es offensichtlich ein Problem im Grundgesetz – Der Bundesminister für Justiz kann dem Generalstaatsanwalt den Ring durch die Nase ziehen – und hier wird das offensichtlich versucht… – das könnte heissen, dass hier Innenminister (Boufier in Hessen und andere) – Einfluß auf die Generalbundesanwaltschaft nehmen können – was mich irritiert – welchen Einfluß haben dann „Untersuchungsausschüsse“ auf Landes- und auf Bundesebene – zahnlose Tiger… das würde auch die Arroganz der Beamten aus BAW, BND, Verfassungsschutz erklären… sie sind nicht unabhängig. Wie könnte die BAW – Unabhängig gemacht werden??? Herzliche Grüße Jürgen Stübner

  3. Mark Tempe sagt:

    Ich möchte beileibe nicht als Jemand erscheinen, der ständig den Zeigefinger hebt und von sich gibt: „Ich hab`s Euch ja schon immer gesagt…“.
    Aber dennoch muss ich das, was ich in vielen, vielen Blogs und Diskussionen schon mehrfach erwähnt habe, hier noch einmal sagen.
    Mir, und sicher nicht nur mir, kommt es so vor, als ob das ganze Justiz-
    system der Bundesrepublik von Nazis und Nazi- Sympathisanten unter-
    wandert ist.
    Alles, was, Obiges betreffend und darüber hinaus, im Staat und vom Staat bezüglich Prävention, Aufklärung und strafrechtlicher Verfolgung der verschiedensten rechtsextremen Aktivitäten unternommen wird, erscheint mir irgendwie halbgar, nebulös und wie in „Ganovenkreisen“ genannt „halbseiden“ ohne die notwendige Transparenz, Tiefgründigkeit und endgültige Konsequenz. Als ob die Hauptakteure befürchten, dass Dinge an`s Licht kommen könnten, die aus ihrer Sicht besser für immer begraben bleiben sollten.
    M.T.