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Fall Oury Jalloh

Aktivisten wollen internationale Untersuchungskommission gründen

Der Streit um die Todesursache von Oury Jalloh landet vermutlich vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Einem Expertenbericht zufolge wurde der Fall bisher nicht aufgeklärt aufgrund rassistischer Stereotypisierungen im deutsche Strafjustizsystem.

Dienstag, 22.08.2017, 4:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 23.08.2017, 16:20 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Zwölfeinhalb Jahre nach dem Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle wollen Aktivisten eine unabhängige, internationale Untersuchungskommission zu dem Fall gründen. Grund dafür sei die mangelnde Transparenz der deutschen Behörden bei der Aufklärung des Todesfalls, erklärte die „Initiative im Gedenken an Oury Jalloh“ am Montag in Berlin. Das Gremium solle in den kommenden Wochen gebildet werden.

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Die Initiative zweifelt seit Jahren die bisherige These über den Ablauf der Ereignisse an. Sie geht von einer Ermordung Oury Jallohs aus. Es handele sich um ein rassistisches Verbrechen, das von Vertretern der Polizei, Justiz und Politik vertuscht werde, kritisieren die Aktivisten.

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Tod in der Polizeizelle

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Der aus Sierra Leone stammende Asylbewerber Oury Jalloh war am 7. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben gekommen. Er starb gefesselt an einer Matratze bei einem Brand in der Gewahrsamszelle. 2008 waren in einem ersten Prozess zwei Polizisten in Dessau freigesprochen worden. Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil gekippt hatte, wurde ein Beamter 2012 vom Landgericht Magdeburg wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt. Eine erneute Revision verwarf der BGH 2014. Jalloh soll die Matratze selbst mit einem Feuerzeug angezündet haben.

Laut der Gedenkinitiative hatte sich im Februar 2017 eine Expertengruppe der Vereinten Nationen mit dem Fall von Oury Jalloh beschäftigt. Die Experten zeigten sich demnach besorgt über die mangelnden Untersuchungen der Todesursache und über Ermittlungslücken. Zudem seien sie der Auffassung, dass rassistische Stereotypisierungen durch das deutsche Strafjustizsystem bisher verhindert hätten, dass die Täter tatsächlich ermittelt und verfolgt werden. Die endgültigen Ergebnisse der Expertengruppe sollen dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im September 2017 vorgestellt werden, kündigte die Gedenkinitiative an.

Gutachten nährt Zweifel an offizieller Todesursache

Anlass für die Forderung der Initiative sind offenbar auch die jüngsten Entwicklungen in dem Fall: In der vergangenen Woche war bekanntgeworden, dass gutachterliche Bewertungen Zweifel am bisher vermuteten Ablauf genährt hätten. Laut der Tageszeitung Die Welt ist unklar, ob Oury Jalloh tatsächlich an den Folgen des Brandes gestorben sein kann. Sollte die neue Bewertung zutreffend sein, müsste ein Dritter die Matratze angezündet haben, berichtete die Zeitung.

Zudem war bekanntgeworden, dass der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau, die jahrelang den Fall bearbeitet hatte, die Zuständigkeit entzogen wurde. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Halle das Todesermittlungsverfahren übernommen. (epd/mig) Aktuell Panorama

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  1. Henriette sagt:

    Vielleicht sollte sich auch mal eine Expertengruppe der Vereinten Nationen mit dem Ausgang des NSU- Prozess beschäftigen! Jedenfalls finde ich es gut, dass die „Initiative im Gedenken an Oury Jalloh“ diesen Weg geht.

  2. Pingback: Mädchenmannschaft » Blog Archive » Solidarität mit linksunten und erinnern an Lindsey Cockwell – kurz verlinkt