Innenpolitisches Kalkül
Migrationsforscher kritisiert geplante Flüchtlingslager in Afrika
EU-Pläne, wonach Asylprüfungen von Flüchtlingen aus Afrika schon in Niger und Tschad erfolgen sollen, stößt beim Migrationsforscher Jochen Oltmer auf Kritik. Er wirft Deutschland und Europa innenpolitisches Kalkül vor.
Von Martina Schwager Mittwoch, 30.08.2017, 4:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 30.08.2017, 17:18 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Migrationsforscher Jochen Oltmer hat die Pläne Deutschlands und Frankreichs kritisiert, Flüchtlinge in sogenannten „Hotspots“ in Afrika festzuhalten und dort ihr Asylrecht zu prüfen. Die Pläne, die nach dem Gipfeltreffen europäischer und afrikanischer Staats- und Regierungschefs vom Montag bekannt wurden, folgten aus Sicht Europas einem rein innenpolitischen Kalkül, sagte Oltmer im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst in Osnabrück.
Das gelte gerade auch für Deutschland mit Blick auf die Bundestagswahl: „Es geht darum, die Menschen jetzt von Europa fernzuhalten. Somit stehen erneut die europäischen Interessen im Vordergrund.“ Wenn Grenzkontrollen auf andere Kontinente verlegt würden, nehme die Aufmerksamkeit für die Not der Schutzsuchenden in der deutschen und europäischen Öffentlichkeit ab.
Die weiteren Aspekte der Vereinbarung seien sehr unpräzise, bemängelte der Professor am Institut für Migrationsforschung der Universität Osnabrück. Wie die Registrierungszentren ausgestattet werden sollen sei ebenso unklar wie die Ausgestaltung der versprochenen Entwicklungshilfe. Wie viele Flüchtlinge letztlich über Resettlement-Programme nach Europa kommen sollen, sei ebenfalls offengeblieben. In der Vergangenheit seien die Kapazitäten dieser Programme immer äußerst gering gewesen. Auch die Tatsache, dass es nach wie vor kein einheitliches europäisches Asylrecht gebe, erschwere solche Regelungen.
Asylprüfung schon in Niger und Tschad
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte nach dem Treffen bekanntgegeben, dass die Asylchancen von Flüchtlingen künftig schon in den Transitstaaten Niger und Tschad geprüft werden sollen. Das solle in Lagern unter Aufsicht des UNHCR geschehen. Im Gegenzug würden die Staaten mehr Entwicklungshilfe erhalten. Libyen soll bei der Bekämpfung von Schlepperbanden unterstützt werden.
Die Entwicklung in der Türkei derzeit zeigt Oltmer zufolge, wie problematisch es sei, mit autoritären Regierungen zusammenzuarbeiten. Das EU-Türkei-Abkommen habe die Position von Präsident Recep Tayyip Erdogan deutlich gestärkt. Niger, Tschad und vor allem Libyen seien zudem nach wie vor instabile Staaten. Wenn dort Flüchtlinge gegen ihren Willen und unter mutmaßlich unmenschlichen Bedingungen festgehalten würden, schüre das eher noch weitere Konflikte. Libyen sei gerade aufgrund der bürgerkriegsähnlichen Zustände zudem nicht nur Transitland für Geflüchtete, sondern immer häufiger auch Herkunftsland. (epd/mig) Aktuell Politik
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