Leere Landschaften im Osten
Es ist der letzte Jahresbericht, den die scheidende Ostbeauftragte Iris Gleicke vorlegt: Nach der Warnung vor wirtschaftlichem Schaden durch Rechtsextremismus 2016 treibt sie in diesem Jahr vor allem die demografische Entwicklung im Osten um. Von Jens Büttner
Von Jens Büttner Donnerstag, 07.09.2017, 4:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 07.09.2017, 22:35 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Einen „Alptraum“ nennt die Ostbeauftragte Iris Gleicke (SPD) das Szenario: die Vorstellung von ganzen Regionen, „in denen es weit und breit keinen Lebensmittelladen, keinen Kindergarten, keinen Arzt und keine jungen Leute“ mehr gibt. Was wie ein irres Schreckensbild aus fernen Welten klingt, wird in manchen Gegenden der ostdeutschen Länder mehr und mehr Wirklichkeit, offenbart der jüngste „Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit„, der am Mittwoch im Bundeskabinett behandelt wurde. „Wir dürfen nicht zulassen, dass ganze Regionen auf Dauer abgehängt werden“, mahnt die südthüringische SPD-Politikerin Gleicke eindringlich vor der Bundespressekonferenz in Berlin.
Bevölkerungsschwund und Überalterung werden zum drängenden Problem – allerdings nicht überall. Es gibt, so betont auch Gleicke, die Leuchtturmregionen. Und insgesamt erreiche Ostdeutschland heute die Wirtschaftsstärke des EU-Durchschnitts. Aber was sagt schon der Durchschnitt? In Teilen der ostdeutschen Länder stelle die Sicherung der Daseinsvorsorge schon heute eine Herausforderung dar, heißt es im Bericht.
Bevölkerungszahl um 15% gesunken
Die demografischen Veränderungen fielen mancherorts zusammen „mit einer vergleichsweise geringen Siedlungsdichte, wirtschaftlichen Strukturschwächen und Finanzschwächen der Gemeinden“. Der demografische Wandel betreffe die ohnehin strukturschwächeren Regionen dabei besonders stark: Rückgang und Alterung der Bevölkerung verminderten dort das wirtschaftliche Wachstumspotenzial.
Gefragt sind intelligente und neue Lösungen, auch jenseits üblicher Förderprogramme. Denn: Die Dynamik des Rückgangs und der Alterung der Bevölkerung in Ostdeutschland werde auch in den nächsten Jahren deutlich höher sein als in den westdeutschen Bundesländern, schreibt Gleicke. Zwischen 1990 und 2015 sei die Bevölkerungszahl in den ostdeutschen Flächenländern um rund 15 Prozent gesunken, von rund 14,8 auf 12,6 Millionen Einwohner. Den größten Verlust an Einwohnern verzeichnete demnach Sachsen-Anhalt mit knapp 22 Prozent. In Westdeutschland nahm die Bevölkerung im gleichen Zeitraum um mehr als sieben Prozent zu, ebenso in der Hauptstadt Berlin.
Keine demografische Trendwende trotz Einwanderung
Die Ost-Länder hatten dem Bericht zufolge Ende 2015 eine Bevölkerungsdichte von 117 Einwohnern je Quadratkilometer. In Westdeutschland waren es 266, mehr als doppelt so viele. Am dünnsten besiedelt waren Mecklenburg-Vorpommern (69 Einwohner je Quadratkilometer) und Brandenburg (84).
Eine demografische Trendwende sei trotz Einwanderung nicht zu erwarten: Bis 2030 werde die Bevölkerung Ostdeutschlands um weitere 800.000 Menschen beziehungsweise sieben Prozent schrumpfen. Für Westdeutschland werde gleichzeitig mit einer Zunahme um etwa eine Million Menschen (zwei Prozent) gerechnet, für die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen sogar mit einem Plus um neun Prozent.
Scharfe Kritik von der Opposition
Die Opposition sieht in Gleickes Bericht einen Offenbarungseid. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch wetterte gar gegen das „jährlich wiederkehrende Betroffenheitsgeschwafel“. Fakt sei, dass sich auf den Deutschlandkarten mit den wichtigsten Strukturdaten noch immer deutlich die DDR abzeichne. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock nannte es „nur wenig hilfreich, wenn sich Union und SPD Jahr für Jahr berichten lassen, dass die Kluft zwischen den Regionen wächst, um dann ohne Konzept weiter zu wursteln“.
Sie hoffe sehr, dass das im Grundgesetz verankerte Recht auf gleichwertige Lebensverhältnisse weiter ernsthaft verfolgt und nicht zum „rhetorischen Versatzstück“ werde, sagt indes die Ostbeauftragte Gleicke. Wer sich darum nach der Bundestagswahl am 24. September kümmern wird, ist offen. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft
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Wären nicht die Islamophobie und die Angst vor einer (vermeintlichen) Parallelgesellschaft und Überfremdung und stünden sodann ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung, bzw. Vergünstigungen geschaffen, ließen sich vielleicht Anreize für überwiegend muslimische Einwanderer und in Westdeutschland aufgewachsene Muslime schaffen, in diesen Gebieten der ehem. DDR eine Existenz zu gründen. Dazu müßten diese Gegenden jedoch erst entnazifiziert und die Pegida-Anhänger zu Umerziehungskursen verpflichtet werden.