Ausländerwahlrecht
Das aktuelle Wahlrecht delegitimiert das politische System
Am 24. September ist es soweit. Der Bundestag wird für einen weiteren Zeitraum von vier Jahren gewählt. Nicht wählen dürfen formalrechtliche Ausländer. Sie machen mehr als 10 Prozent der Bevölkerung im wahlberechtigten Alter aus. Tamer Düzyol und Miriam Aced fordern eine Reform des Wahlrechts.
Von Tamer Düzyol und Miriam Aced Donnerstag, 21.09.2017, 4:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 21.09.2017, 17:52 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
In Deutschland leben 8,6 Millionen formalrechtliche Ausländer im wahlberechtigten Alter. Sie sind von den anstehenden Parlamentswahlen ausgeschlossen. Das sind etwa 10,5 Prozent der Bevölkerung im wahlberechtigten Alter. Geht man auf die Ebene der Landtagswahlen, so wird die politische Mitbestimmung, einem weitaus größeren Teil der Bevölkerung verwehrt: Berlin 15,7 Prozent, Hessen 14,2 Prozent, Nordrhein-Westfalen 12 Prozent. Auch auf der kommunalen Ebene, auf der EU-Staatsbürger mitwählen dürfen, die sogenannten Unionsbürger, liegt die Quote hoch: Frankfurt am Main 14 Prozent, München 13,4 Prozent, Duisburg 12,4 Prozent.
Was bedeutet dies für ein politisches System, wenn ein Zehntel der Bevölkerung nicht an der Zusammensetzung des Bundestags, Landtags oder der kommunalen Parlamente mitbestimmen kann? Delegitimiert sich so ein politisches System nicht selbst?
Wahlrecht muss reformiert werden
Das Wahlrecht muss reformiert werden! denn momentan können nur deutsche Staatsbürger auf Bundes- und Landesebene wählen. Die Verbindung des Wahlrechts mit der Staatsbürgerschaft muss gekappt werden. Sie wird einer globalisierten Welt nicht mehr gerecht, in der Migration zur Norm geworden ist und Menschen aus verschiedenen Gründen freiwillig und unfreiwillig ins Ausland ziehen, zum Beispiel für das Studium, die Beziehung oder Arbeit.
Wenn die Demokratie in ihrer Ganzheit nur für Privilegierte, also nur für deutsche Staatsbürger, gilt, dann schaffen es Demokratien nicht über die athenische Demokratie hinaus. Die Demokratie des antiken Athens, der Wegweiser der heutigen Demokratien, sah alle Belange, die einen politischen Ort betreffen als Angelegenheit aller Anwohner, bis auf Frauen, versklavte Menschen und Bewohner ohne Bürgerstatus. Das antike Athen existiert schon lange nicht mehr und das Frauenwahlrecht ist aus den heutigen Wahlsystemen nicht wegzudenken.
Demokratie muss gelebt werden
Demokratie muss von allen in der Gesellschaft tagtäglich gelebt und erlebt werden und politische Mitbestimmung aller Residierenden ist Teil davon. Zudem führt das aktuelle Wahlrecht bei Volksabstimmungen zu Verzerrungen. Nur ein Beispiel dafür ist der in 2014 abgehaltene Volksentscheid über das Berliner Tempelhofer Feld. Hier konnten die formalrechtlich ausländischen, aber ebenso betroffenen, Residenten an dem Referendum über die Zukunft ihrer unmittelbaren Nachbarschaft und dessen eventueller Auswirkung auf Mietpreise nicht mitbestimmen, obwohl sie mit der Konsequenz leben müssen.
Dass formalrechtliche Ausländer nur ein begrenztes Wahlrecht besitzen, führt auch dazu, dass politische Parteien die Debatten um die Themen “Asyl”, “Migration” und “Integration” an Bürger orientieren, die nicht am stärksten von diesen Themenbereichen betroffen sind. Migranten sind von den Debatten betroffen, aber können die politischen Parteien für ihre Statements oder Pläne weder honorieren noch bestrafen. Trotz ihres Anteils an und ihres Beitrags zur Gesamtgesellschaft sind formalrechtliche Ausländer hinsichtlich der Stimmenmaximierung für politische Parteien irrelevant und sind für sie unsichtbar, wenn sich Politik mit ihnen aber nicht für sie machen lässt.
Vorbild Chile und Neuseeland
Ein oft genannter Grund gegen eine Wahlrechtsnovellierung dieser Art, die Entkopplung des Wahlrechts von der Staatsbürgerschaft, ist die Sorge eines Staatszerfalls, was ein Paradox zum Wahlrecht von Unionsbürgern auf kommunaler Ebene seit 1995 darstellt. Des Weiteren haben viele Gegner vor Einflussnahme aus dem Ausland Angst. Dies scheint in anderen Ländern nicht der Fall zu sein.
Chile oder Neuseeland beispielsweise machen vor, dass das “Ausländerwahlrecht” das Fortbestehen eines Nationalstaates nicht gefährdet. In Chile müssen die formalrechtlichen Ausländer über fünf Jahre im Land gelebt haben, um ihr Wahlrecht ausüben zu dürfen. Das neuseeländische Wahlrecht definiert sein Wahlvolk als erwachsene neuseeländische Staatsbürger sowie für einen Zeitraum von mindestens einem Jahr permanent im Land Lebenden. Das ergibt auch Sinn. Wer in Deutschland wohnt und qua Steuerzahlungen und zum sozialen, kulturellen und politischen Leben beiträgt und ebenso den politischen Entscheidungen und Gesetzgebungen der Regierung ausgesetzt ist, sollte auch wählen dürfen, egal ob ein Stück Papier die Zugehörigkeit zu dem Land formalisiert oder nicht.
Diese Debatte ist auch mittlerweile bei einigen an den Bundestagswahlen teilnehmenden Parteien angekommen. Einige haben die Notwendigkeit der Wahlrechtsnovellierung erkannt und in ihre Wahlprogramme aufgenommen.
Ausländerwahlrecht stärkt Demokratie
Sowohl die SPD als auch die Piraten setzen sich für das kommunale Wahlrecht aller Residierende ein, egal ob Unionsbürger, also EU-Bürger, oder Drittstaatangehörige. Bündnis 90/Die Grünen wiederum plädieren für das Wahlrecht aller Unionsbürger auf Landesebene, denn Unionsbürger können momentan nur auf kommunaler Ebene wählen. Die Linke sticht zum Thema Wahlrechtsnovellierung heraus, denn sie strebt das uneingeschränkte Wahlrecht aller dauerhaft in Deutschland lebenden Migranten, unabhängig von der Staatsbürgerschaft auf kommunaler, Landes- und Bundesebene an.
Die Erweiterung des Wahlrechts auf formalrechtliche Ausländer stärkt die Demokratie in Deutschland und ist keine Frage der Machbarkeit, sondern eine Frage des Willens. Im nächsten Jahr wird der 100. Geburtstag des Frauenwahlrechts gefeiert. So wie heute das Frauenwahlrecht nicht wegzudenken ist, ist das “Ausländerwahlrecht” eine natürliche Folge der Wahlrechtsentwicklung. Aktuell Meinung
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Sie sollten sich mal die Inschrift am Eingang des Reichstagsgebäudes durchlesen („Dem deutschen Volke“) und im Anschluss die Definition im Grundgesetz (§ 116).
Wenn die Autoren unbedingt in Deutschland wählen wollen, können sie doch deutsche Staatsbürger werden. Wo ist das Problem?!
Die angesprochenen Themen Asyl und Migration betreffen insbesondere das deutsche Volk, weil Flüchtlinge sich anfangs nicht selbst finanzieren können. Ein Flüchtling, der auch nach Ende der Schutzbedürftigkeit weiterhin in Deutschland lebt, hat aus Sicht der Rentenversicherung in den meisten Fällen fehlende Beitragsjahre. Die Differenz muss der Staat und am Ende das Volk zahlen. Wenn Flüchtlinge hier mitbestimmen dürfen ist das finanziell nicht gerecht!
Ausländer haben an deutschen Urnen nichts verloren.
Ich glaube es wäre dann durchaus legitim zu behaupten, dass Menschen die sich nicht einbürgern lassen ein demokratisches Defizit erzeugen. Es ist zwar praktisch immer dem deutschen Staat für alles die Schuld geben zu können, man ist dann selbst ein kleines ohnmächtiges Opfer das gegen den überstarken bösen deutschen Staat kämpt, aber so löst man keine Probleme.
Zitat JFK:
„Frage nicht was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!“
Die Forderung ist grundgesetzwidrig und im Übrigen besteht die Möglichkdeit der Einbürgerung für Ausländer bei Erfüllung der Einbürgerungsvoraussetzungen
„ein Stück Papier die Zugehörigkeit zu dem Land formalisiert oder nicht.“
Schon dieser Halbsatz zeigt anschaulich die Einstellung der Autoren zur Staatsangehörigkeit. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bzw. der Besitz der eutschen Staatsangehörigkeit ist eben gerade kein „Stück Papier“.