Klingel, Tür, Ausländer, Migranten, Türklingel, Haustür
Klingel, Tür, Ausländer, Migranten © twicepix @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Abkehr von der Identität

Integration ist keine Frage des Namens

Nordrhein-Westfalen möchte Migranten Namensänderungen erleichtern, damit sie "ihre Integration verfestigen" können. Dieser Vorstoß suggeriert, das Diskriminierungen durch Namensänderung beseitigt werden können. Zudem wird den Betroffenen eine Bringschuld auferlegt. Von Katharina Ben Eladel

Von Mittwoch, 04.10.2017, 4:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 05.10.2017, 12:37 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Nach dem Willen der nordrhein-westfälischen Landesregierung sollen Migranten künftig ihren Nachnamen leichter ändern dürfen. Durch die Vereinfachung des Namensrechts solle Zuwanderern die Möglichkeit gegeben werden, „komplizierte“ Namen beispielsweise abkürzen und „ihre Integration verfestigen“ zu können.

Die geplante Bundesratsinitiative scheint die simple Lösung für ein bekanntes Problem zu sein. Ganze Regalmeter füllt inzwischen die sozialwissenschaftliche Forschungsliteratur zu der Frage, ob Träger eines „ausländischen“, sprich: arabischen, afrikanischen oder türkischen, Nachnamens auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt benachteiligt sind. Die Antwort: Ein klares Ja. Die Betroffenen selbst hätten für diese Erkenntnis keine teuren Forschungsprojekte benötigt. So ist ihr alltägliches Erleben aber wenigstens quantitativ erhoben und ausgewertet worden. Immerhin.

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Integration durch Namen?

Wo die „Integration“ aufgrund der derzeitigen Rechtslage beim Familiennamen versagt, muss sie zumindest am Vornamen erkennbar werden. Denn auch der kann, so haben es zumindest einige französische Vorgesetzte vor geraumer Zeit erkannt, auf potenzielle Kunden und Auftraggeber „abschreckend“ wirken. Kurzerhand wird aus „Mohammed“ „Alexandre“, aus „Sélima“ wird „Anne“ und aus „Rachid“ „Richard“. Wer sich weigert, fliegt.

Gern wird in diesem Zusammenhang auch auf ostasiatische Communities verwiesen, wo es angeblich bereits seit Langem ohne viel Aufhebens üblich sei, dem Kind einen landestypischen Vornamen zu geben, wenn es z. B. in Deutschland, Frankreich oder den USA aufwachsen soll. Doch selbst wenn diese Praxis tatsächlich Indikator einer höheren Integrationsbereitschaft sein sollte, warum hat es ein „Florian Huong“ in den Schlüsselbereichen des sozialen Lebens dann vergleichsweise leichter als eine „Lena Khianzadeh“ oder ein „Julian Okonkwo“? Warum muss „Daniel Neumeier“ als Sohn einer deutschen Mutter, eines jamaikanischen Vaters und Träger eines „typisch deutschen“ Namens trotzdem mehr als dreimal so viele Bewerbungen verschicken wie sein weißer Kommilitone?

Abkehr von der Identität

Die Abkehr von der eigenen Identität lässt sich eigentlich kaum drastischer ausdrücken, als durch eine Namensänderung. Es geht um Zugehörigkeit, aber eben auch um die Möglichkeit, selbstbewusst „Ich“ zu sagen. Nicht von ungefähr haben Aktivistinnen der zweiten Frauenbewegung für das Recht gestritten, den eigenen Familiennamen auch nach der Eheschließung weiterführen zu können. Und vielleicht werde von manchen Leuten deshalb gefragt, wie denn nun mein islamischer Name laute.

Angehörige, insbesondere die Eltern, erleben eine Namensänderung immer als Schock und Infragestellung. Sehr anschaulich beschreibt das z. B. die ehemalige ZEIT-Redakteurin Ilka Piepgras in ihrem Buch „Meine Freundin, die Nonne“.

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Integration ist keine Einbahnstraße

Der Vorschlag der NRW-Regierung ist deshalb schlimm, weil er suggeriert, das nachweisliche Diskriminierungen durch eine Namensänderung kurzfristig beseitigt werden können. Dadurch wird der Spieß in gewohnter Manier einfach umgedreht und den Betroffenen eine Bringschuld auferlegt. Tenor: Integration ist keine Einbahnstraße. Das ist richtig, und deshalb ist es ein Unding, dass der Bundesvorsitzende der GRÜNEN auch nach über fünfzig Jahren Einwanderungsgeschichte immer noch als „Herr Özdemir“ (mit gut hörbarem deutschem Z) vorgestellt wird. Dass Nachrichtensprecher sich bei arabischen, türkischen oder persischen Namen nicht einmal vorsichtig an der korrekten Aussprache versuchen. Dass „Helpdesk-Manager“ in international tätigen Großunternehmen für alle Anwesenden gut vernehmbar durch den Raum trompeten, dass „der Herr Dingsbums“ ein Anliegen hat.

Besser Diskriminierung beseitigen

Er kommt außerdem zu einem Zeitpunkt, da sich viele Migranten, Menschen mit einem sogenannten „Migrationshintergrund“ und PoC ohnehin fragen, ob sie mit ihrer Geschichte, ihrer Herkunft und ihrem kulturellen Erbe in Deutschland überhaupt (noch) erwünscht sind.

Statt die für alle sichtbare strukturelle Diskriminierung endlich anzugehen, wird seitens der NRW-Regierung gönnerhaft erklärt, mit der Neuregelung „Wünsche[n] der Migranten“ entsprechen zu wollen. Auf welcher Grundlage diese vermeintlichen „Wünsche“ basieren, wird in der Diskussion natürlich wieder einmal sauber ausgespart. Aktuell Meinung

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  1. Danek Straszynski sagt:

    Es wird kein Zwang zur Namenänderung in De geben. Es ist eine praktische Praxis in vielen Ländern z.B. UK, USA… Bei Islam ist das sogar Pflicht bei einer Konvertierung.

    In De wohnen sämtlichen Nationen der Welt. Meistens mit eigenen Vornamen, Nachnamen und Aussprache. Müssen sich die Einheimischen Deutsche in eigenem Heimat integrieren? Die politische Entwicklung der letzten Tagen zeigt, dass sie das nicht wollen. Ein bißchen mehr Flexibilität und Verständnis für den Gastgeber wäre nicht schlecht um die sogenannten rassistische und faschistische Tendenz in De zu bremsen.

  2. akhigbe andrea sagt:

    Die sozialwissenschaftliche Forschung wird behindert, wenn die Diskriminierungen nachträglich mit den Namen nicht nachgewiesen werden können. Entscheider haben immer auch andere Informationen, wie z.B. das Gesicht, und erkennen die Migrationszusammenhänge auch ohne Namen. In diesen Fällen hat eine Namensänderung dann keine Verbesserung für die Betroffenen, sondern nur für die Täter, da die Tat von außen nicht mehr an Hand der Namen der Opfer als Diskriminierung auf Grund der Hautfarbe, der Religionszugehörigkeit oder der Nationalität zu erkennen ist.

  3. Danek Straszynski sagt:

    Andrea, ich kenne exzellenten Ärzte, Ingenieure mit türkischen oder arabischen Abstammung. Nur der Name unterscheidet sie von Deutschen und dies ist ein persönlichen Nachteil, weil Niemand erwartet von dem Kulturkreis wissenschaftlichen modernen Denken. So ist es, einfach, statistisch gesehen.
    Das sind keine Vorurteile. Das ist eine Tatsache.
    Sie wollen, dass die Flüchtlinge heroisch Ihre Name tragen, um die Arbeit von Sozialwissenschaftler und Polizisten zu erleichtern?

  4. Luise Müller sagt:

    @ Danek Straszynski
    Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn jemand, der Danek Straszynski heißt – oder sich so nennt – von Menschen mit nicht-deutsch klingenden Namen mehr oder weniger deutlich fordert, diese zu ändern. Und das mit dem Argument: „Ein bißchen mehr Flexibilität und Verständnis für den Gastgeber wäre nicht schlecht um die sogenannten rassistische und faschistische Tendenz in De zu bremsen.“ Das heißt im Klartext: Diejenigen, die die Auswirkungen der rassistischen und faschistischen Tendenzen am deutlichsten am eigenen Leibe zu spüren bekommen, sind eigentlich diejenigen, die sie verursachen, also selbst Schuld. Keine Schuld dagegen haben diejenigen, die auf rechte Parolen hereinfallen und entsprechend wählen; all die Muhammeds und Aishes haben den armen deutschen Michel quasi dazu gezwungen, in Notwehr rechts zu wählen oder sich seinen rassistischen Einstellungen zu ergeben.
    Auch wenn man es nicht gern hört: All die Eindeutschung ihrer Namen hat den Angehörigen einer anderen Religionsgruppe in der Vergangenheit nicht geholfen. Ruck zuck hat man ihnen einfach den Namen, den man einer jüdischen Frau und einem jüdischen Mann für angemessen hielt, in den Ausweis gestempelt und die natürliche Ordnung war wieder hergestellt. Ich befürchte (noch) nicht, dass wir solche Zeiten wieder erleben werden, aber zu vergessen, mit welchen kleinen Schritten man am Ende in der Katastrophe landete, ist das Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen und ein Schritt in die definitiv falsche Richtung.

    Es keine Pflicht, bei der Konversion zum Islam seinen Namen zu ändern. Auch wenn viele Konvertiten sich zusätzlich zu ihrem Vornamen einen zweiten zulegen (kaum jemand ändert seine Personalpapiere), fußt das nicht auf einer Vorschrift, sondern ist ein reines Privatvergnügen, das ganz unterschiedlich motiviert ist.

  5. akhigbe andrea sagt:

    Migranten werden durch das Tragen ihrer ausländischen Namen davor geschützt, dass Ausländer systematisch benachteiligt werden, denn, auf Grund ihres Namens ist dies nachvollziehbar. Die Arbeit der Sozialwissenschaftler schützt die Migranten.

  6. @Danek Straszynski
    „Es ist eine praktische Praxis in vielen Ländern…“
    Wenn die von Ihnen und im Artikel gelisteten Länder diese „praktische Praxis“ praktizieren, welche Mentalität sie eint sie denn dann eigentlich? Und für wen genau ist es denn „praktisch“ praktisch – für die selbstverliebten Namensspender*innen? Oder soll das praktischerweise nur die „praktische Praxis“ der einheimischen Diskriminator*innen, Rassit*innen und Faschist*innen erschweren?
    Das würde letztlich ja auch ganz gut zu Ihrer Schlussfolgerung passen, dass ein „…bißchen mehr… (‚flexibilisiertes Identitätsverständis‘) …nicht schlecht (wäre) um die sogenannten [sic] rassistische und faschistische Tendenz in De zu bremsen.“…oder?

    Folgt man der Logik des ‚Integrationsvorschlages‘ aus NRW, dann entstünde der „praktische“ Integrationsvorteil ja hauptsächlich in der diskriminierenden Heimatbevölkerung durch ’namentliche reverse Maskierung‘ und damit ‚Angleichung‘ an deren Sprach- und Artikulationsfähigkeiten. „Praktisch“ gesehen, werden damit ‚fremdländische‘ Namensidentitäten schriftlich, akkustisch und sprachlich ‚unsichtbar‘ gemacht und das Problem ist scheinbar geklärt, weil unsichtbar, unlesbar, unhörbar und gleichzeitig auch noch viiieel leichter aussprechbar … zumindest bis zu dem Zeitpunkt, bis die namentliche Identität dann doch plötzlich als gesamtmenschliche Identität materialisiert … und was passiert dann in der „praktischen Praxis“ mit dem Menschen mit dem neuen Namen? …
    Wahrscheinlich wird man dann im jutiziablen Falle zukünftig konstatieren können, dass es jedenfalls nicht am Namen gelegen haben kann …

    Im Übrigen stimme ich den Ausführungen von Luise Müller zu den Erfahrungen bei vorhandener Namensanpassung unter „nationalsozialistischem“ Namensrecht explizit zu!

  7. Otto W sagt:

    Die hier im Artikel und in den Kommentaren propagierte Diskriminierung ggü. Migranten erscheint mir sehr konstruiert. Diskriminiert fühlen wohl nur diejenigen sich, mit mangelndem Selbstwertgefühl. Manchmal scheint es, als gäbe es eine gewisse „Wasch mich aber mach mich nicht nass“-Mentalität bei bestimmten Migranten. Seid Ihr nun immigriert oder nicht? Übrigens stand nirgendwo etwas von einer Pflicht seinen Namen ändern zu MÜSSEN, es ist lediglich ein Recht darauf. Also bitte bleibt beim Thema.

  8. akhigbe andrea sagt:

    @OttoW Diskriminierung gegenüber Migranten erscheint ihnen in diesem Artikel und in den Kommentaren konstruiert. Das Thema ist der ausländische Name, die Frage, ob es gut ist, wenn Menschen ihren ausländischen Namen in einen Nicht-ausländischen Namen umtauschen. Das betrifft nicht nur Migranten. Und die Diskriminierung trifft auch nicht nur Migranten, sondern die ganze Familie. Um ihre These, die Diskriminierung sei konstruiert, zu widerlegen, müssen Fälle von tatsächlicher Benachteiligung von Menschen mit ausländischen Namen aufgezählt werden. Zu beweisen, dass die Diskriminierung auf Grund des Migrationsbezugs stattfanden, wäre Aufgabe der Wissenschaftler, der Politiker, der Journalisten, dadurch, dass die Häufung ausgezählt wird. Einen nachweisbaren Fall erzähle ich deshalb kurz. Das Sozialgericht hat meine Klage gegen die Agentur für Arbeit abgewiesen und keine Berufung zugelassen. Es ging darum, ob eine kurzfristige Einladung zu einen Termin, vor Schulbeginn und das mit Erstklassler, mit Sperrzeitandrohung zulässig war. Die höhere Instanz hat erklärt, dass eine Berufung schon zugelassen wird. (Bayerisches Landessozialgericht: L 9 AL 235/12 NZB / S 35 AL 198/10) Der Fall aus dem Jahr 2009 ist bis heute noch nicht in der 2. Instanz entschieden worden. Keine Berufung zuzulassen, wenn eine Berufung zugelassen werden muss, dass ist schon eine Benachteiligung.

  9. P-W J*Bürkle sagt:

    Das ist eine recht schwierige Lage, doch grundsätzlich ist es eher schlecht, wenn Menschen mit ausländischen und „schwierigen“ Namen sich zur Änderung gezwungen fühlen könnten.

    Dabei stellt der Name immer auch einen Teil der Indentität und natürlich der Abstammung dar.

    Da die Namensträger trotz bester Deutschkenntnisse immer noch als „anders“ wargenommen werden, löst dieses Ansinnen nur scheinbar die Probleme, doch es kann auch zu einer argen Enttäuschung der Betroffenen führen…

  10. Mike sagt:

    „Zu beweisen, dass die Diskriminierung auf Grund des Migrationsbezugs stattfanden, wäre Aufgabe der Wissenschaftler, der Politiker, der Journalisten, dadurch, dass die Häufung ausgezählt wird. Einen nachweisbaren Fall erzähle ich deshalb kurz. Das Sozialgericht hat meine Klage gegen die Agentur für Arbeit abgewiesen und keine Berufung zugelassen. Es ging darum, ob eine kurzfristige Einladung zu einen Termin, vor Schulbeginn und das mit Erstklassler, mit Sperrzeitandrohung zulässig war. Die höhere Instanz hat erklärt, dass eine Berufung schon zugelassen wird. (Bayerisches Landessozialgericht: L 9 AL 235/12 NZB / S 35 AL 198/10) Der Fall aus dem Jahr 2009 ist bis heute noch nicht in der 2. Instanz entschieden worden. Keine Berufung zuzulassen, wenn eine Berufung zugelassen werden muss, dass ist schon eine Benachteiligung.“

    Wo soll bei Ihrem Beispiel eine Benachteiligung aufgrund des Migrationsbezugs erfolgt sein? Das erstinstanzliche Gericht halt falsch entschieden, das kann jedem ob deutsch oder nicht deutsch passieren. So what?