Amnesty International
Bundesregierung ignoriert Lebensgefahr für abgelehnte Asylbewerber in Afghanistan
Neuer Amnesty-Bericht dokumentiert die Gefahren für abgeschobene Asylbewerber in Afghanistan. Den Menschen drohten dort Gewalt, Entführungen und Tod. Jede Abschiebung stellt Amnesty zufolge einen Verstoß gegen das Völkerrecht dar.
Donnerstag, 05.10.2017, 6:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 10.10.2017, 17:17 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Europäische Regierungen schieben derzeit zunehmend Menschen nach Afghanistan ab, wo ihnen Gewalt, Folter und Tod drohen. Das dokumentiert Amnesty International in dem neuen Bericht „Forced back to danger“.
Trotz der prekären Sicherheitslage in ihrer Heimat erhalten Afghanen dem Bericht zufolge immer seltener Schutz in Deutschland. „Anders als es das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge behauptet, kann momentan keine Region in Afghanistan als sichere und zumutbare Schutzalternative eingestuft werden“, sagt Franziska Vilmar, Expertin für Asylrecht und Asylpolitik bei Amnesty International in Deutschland. „Die Bundesregierung muss unverzüglich dafür sorgen, dass in Anbetracht der äußerst schlechten Menschenrechts- und Sicherheitslage niemand mehr nach Afghanistan abgeschoben wird. Jede Abschiebung nach Afghanistan verstößt gegen das Völkerrecht.“
118 Abschiebungen nach Afghanistan
Der Amnesty-Bericht „Forced back to danger“ untersucht die Situation von afghanischen Schutzsuchenden im Asylverfahren in Europa sowie die Abschiebungspraxis verschiedener EU-Mitgliedstaaten. So hat Deutschland seit der Unterzeichnung einer „Gemeinsamen Erklärung über die Zusammenarbeit in Fragen der Migration zwischen Deutschland und Afghanistan“ im Oktober 2016 bereits 118 Menschen nach Afghanistan zwangsweise abgeschoben.
Auch die Anzahl der ausreisepflichtigen Afghanen, die angeblich freiwillig in ihr Land zurückgekehrt sind, hat drastisch zugenommen. „In Afghanistan sterben Menschen durch Bomben und Minen, bei Kämpfen der Sicherheitskräfte mit bewaffneten Gruppen wie den Taliban. Sie werden gezielt bedroht und verfolgt, gefoltert oder hingerichtet“, sagt Vilmar.
Amnesty: Sicherheitslage drastisch verschlechtert
Amnesty hat vor Ort mit Menschen gesprochen, die aus Europa nach Afghanistan abgeschoben wurden. Dort sind sie ohne jedes soziale Netz auf sich allein gestellt. Abgeschoben werden ebenfalls Menschen, die bereits als Kinder aus Afghanistan fliehen mussten und nach ihrer Abschiebung in einem Land leben, das ihnen fremd ist. Der Amnesty-Bericht dokumentiert auch den Fall einer afghanischen Mutter, deren Ehemann nur wenige Monate nach der Abschiebung der Familie aus Norwegen entführt und ermordet wurde.
„Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert: Noch nie seit dem Ende der Taliban-Herrschaft im Jahr 2001 war die Gefahr für Leib und Leben in Afghanistan so groß wie heute“, sagt Vilmar. Allein im vergangenen Jahr wurden knapp 11.500 Menschen getötet oder verletzt, im ersten Halbjahr 2017 waren es bereits mehr als 5.200. Unter den Opfern sind zunehmend Frauen und Kinder. Trotzdem werden immer mehr Afghanen, die in Deutschland Asyl beantragen, gezwungen, das Land wieder zu verlassen. (ai/mig) Aktuell Politik
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen